Am 8. Mai 1945 rollen Funkwagen durch die Straßen Berlins und verlesen den offiziellen Text der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Hier endet der Krieg. Der Frontfotograf Valery Faminsky begleitet diese Augenblicke mit seiner Leica Kamera. Die Serie von Fotografien vermittelt durch die Nähe zu den Menschen diesen geschichtlichen Moment und dessen Emotionalität. Wie mögen die Stimmen der vorlesenden Soldaten geklungen haben, widerhallend aus den Lautsprechern in den Straßen, die nur noch die Klänge von Schreien, Schüssen und Detonationen kannten? Die Stimmen sagen: „Das Sterben ist vorbei.“ Nach hunderten von Sirenen-Nächten, nach Bomben, Artilleriebeschuss und Straßenkämpfen, kommen die Menschen, darunter viele Kinder, zaghaft aus den Häusern und Kellern.
In vielen Gesichtern ist die Angst und Scheu zu sehen, das erlernte Feindbild der Nazipropaganda sieht noch Sieger, nicht Befreier. Hier, vor der russischen Kommandantur Alt-Friedrichsfelde 1, entstehen die ersten Aufnahmen. Der Fotograf steht direkt neben den Vorlesenden, man kann den Text gut erkennen. Dann verändert Faminsky seine Position und steigt auf ein anderes Fahrzeug, von dem Flugblätter mit dem Text der Kapitulation an die Menschen verteilt werden. Die Kinder haschen froh nach den Flugblättern, doch es gibt auch skeptische Blicke in der wogenden Menge. Soldaten lachen, Frauen bringen Blumen. Ein kraftvolles, so viel Geschichte in einem Moment erfassendes Bild.
Hier ist die Zukunft zu sehen, die Jugend von Berlin.
Dieses sind die einzigen bekannten Aufnahmen von der Verlesung der Kapitulation in den Berliner Straßen. Sie sind Teil des 2016 in Moskau entdeckten Archivs des 1993 verstorbenen Fotografen und eines der vielen Highlights des Bildbandes „Berlin Mai 1945-Valery Faminsky“.
Fotos © Valery Faminsky / Privatsammlung Arthur Bondar